14. Februar 2012
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Straßmair,
sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats,
im Gemeinderat Hohenbrunn werden zur Zeit die Möglichkeiten für eine Umgehungsstraße für das Dorf Hohenbrunn untersucht. Unter den verschiedenen Vorschlägen ist auch eine Trassenvariante am östlichen Waldrand, von der Siegertsbrunnerstraße bis zur Autobahnauffahrt Hohenbrunn. Diese Variante hätte u. E. große vorhersehbare Nachteile.
Hohenbrunn ist eine der wenigen erhalten gebliebenen Rodungsinseln. Eine Straße direkt am Rand der Rodungsinsel würde das Landschaftsbild, die Ökologie und den Erholungswert wesentlich und unwiederbringlich verändern.
- Die Rodungsinsel ist, trotz einiger Eingriffe in den Waldbestand, ein lebendiges Dokument einer für den Münchener Südosten typischen Kulturlandschaft. Von Bedeutung für das Erscheinungsbild einer Rodungsinsel sind die Waldkulisse und die landwirtschaftlich genutzten Flächen zwischen den zentral gelegenen Siedlungen und dem Wald:
- Die Wald-Feld-Grenze mit ihren Vor- und Rücksprüngen stellt aufgrund des kleinräumigen Wechsels von Licht- und Feuchtverhältnissen eine artenreiche Übergangszone dar, die einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt Lebensraum bietet.
- Die Waldränder im Gemeindegebiet stellen für den Arten- und Biotopschutz sowie für die Strukturvielfalt ein wertvolles Entwicklungspotential dar, deren ökologische Bedeutung durch gezielte Maßnahmen noch verbessert werden kann (vgl. hierzu „Landschaftsplan Putzbrunn“).
- Ein westlicher Waldrand, wie er hier vorliegt, ist besonders wertvoll, weil er Lebensraum bietet für wärmeliebende, seltene Pflanzen und Tiere. Solche Waldränder sind von überregionaler Bedeutung.
- Alle dies wäre durch einen Straßenbau am Waldrand verletzt oder gänzlich in
Gefahr!
Das Dorf Hohenbrunn würde vom Wald weitgehend abgeschnitten werden mit allen negativen Folgen für seine Bewohner. Das große Gebiet zwischen Dorf und Waldrand würde seinen bisherigen Erholungswert verlieren. Dabei werden Feld, Waldrand und Wald von ortsansässigen und anderen Erholungssuchenden stark frequentiert. Es ist der nächst gelegene Wald für die Bewohner von Hohenbrunn, Riemerling und Ottobrunn, der fußläufig erreichbar ist. Im November 2011 haben wir an einem Sonntag in nur einer Stunde 28 Menschen gezählt, die dort zu Fuß, mit und ohne Kinderwagen, per Fahrrad oder zu Pferd unterwegs waren.
Wertvolle forst- und landwirtschaftliche Flächen würden in erheblichem Umfang verbraucht und verbaut werden. Forst- und Landwirtschaft wären durch die geplante Straße entlang des Waldrandes behindert. Es müssten deshalb weitere Bauwerke mit zusätzlichem Flächenverbrauch errichtet werden: Unterführungen bzw. Brücken und die entsprechenden Zufahrten zu diesen Querungshilfen. Der beträchtliche Flächenverbrauch durch eine waldnahe, östliche Trasse, einschließlich Zu-, Ab- und Auffahrten, ginge zu Lasten der Landwirtschaft. An einigen Stellen wohl auch – anders als in der Machbarkeitsstudie behauptet - zu Lasten des angrenzenden Waldes und zu Lasten der Lebensqualität aller Bürger. Aktuell werden in Bayern täglich 208.000 m2 versiegelt, in 2010 23% mehr als in 2009. Will sich Hohenbrunn tatsächlich an dieser Zerstörung von fruchtbarem Boden beteiligen?
Die vielen Hochstände und zahllose Wildspuren belegen den intensiven Austausch zwischen Wald und Feld. Durch eine Straße am Waldrand wäre der Wildwechsel zwischen Wald und Feld enorm beeinträchtigt mit erheblichen Gefahren für Mensch und Tier. Um Kollisionen der Fahrzeuge mit Wild zu vermeiden müssten Grünbrücken oder ständig zu überwachende Wildschutzzäune errichtet werden,
die dann aber den Waldzugang für alle versperren.
Bei mehreren Ortsbegehungen konnten wir uns über die reiche Artenvielfalt und den guten, in manchen Abschnitten geradezu „vorbildlichen“ Aufbau des Waldrandes informieren.
Insbesondere das Naturdenkmal Eichenwald würde beim bisher gedachten Trassenverlauf sicherlich Schaden nehmen. Zwischen Reiterhof und Eichenwald besteht eine ausgesprochene Engstelle. Außerdem müssten dort erhebliche verkehrssichernde Maßnahmen erfolgen. Das Naturdenkmal mit seinem sehr seltenen
Eichen-Hainbuchen-Wald würde massiv entwertet.
Im nördlichen Teil ginge die Straße nach den bisher vorliegenden Plänen über eine Sukzessionsfläche mit Biotop, für das der Bund Naturschutz 1992 vom Bayerischen Umweltministerium mit einem Umweltschutzpreis ausgezeichnet wurde. Die Sukzessionsfläche wurde 1998 von der Gemeinde erworben und dem Ökokonto gutgeschrieben. Und im Dezember 2011 wurde beschlossen, dass die Fläche als Ausgleichsfläche für die im Bebauungsplan Nr.76 überplante Gewerbefläche „Gewerbegebiet Eichenwald“ herangezogen werden und aufgeforstet werden soll.
Das Ingenieurbüro Wagner hat in seiner Machbarkeitsstudie Bewertungen ausgesprochen, die wir nicht teilen können (vgl. zum Folgenden S.18 der Machbarkeitsstudie):
- Luft/Klima: Der Standort weise keine Besonderheiten auf. Eingriffe in die angrenzenden Wälder mit klimatischen Funktionen würden nicht erfolgen. Dies ist nicht richtig. Eingriffe in den Wald werden, wie oben dargestellt, unvermeidbar sein.
- Tiere/Pflanzen: Die aktuelle Lebensraumfunktion sei (mit Ausnahme der Sukzessionsfläche) von geringer Bedeutung. Dies ist u. E. eine völlige Fehleinschätzung. Die aktuelle Lebensraumfunktion ist sogar von großer Bedeutung, was allein schon angesichts des regen Wildwechsel deutlich wird. Wir fordern eine objektive Lebensraumanalyse, die den Wert der Waldränder fachlich korrekt im Detail analysiert.
- Landschaft: Es komme nicht zu Neuzerschneidungen des Raums, lediglich die Blickbeziehung von Hohenbrunn auf den Wald sei beeinträchtigt. Richtig ist, dass der Wald durch eine Osttrasse definitiv vom Dorf abgeschnitten wird. Die Details haben wir oben bereits beschrieben.
- Erholungsfunktion: Der Standort weise keine Besonderheiten auf. Das Gegenteil ist richtig, er wird von Erholungssuchenden stark frequentiert und hat überregionale Bedeutung.
Die Kosteneinschätzung für die Trasse betrachtet nur die reinen Baukosten, keine Grunderwerbskosten, Infrastrukturkosten usw., die Variante wird erheblich teurer werden.
Anstatt eine völlig neue Straße anzulegen, sollte eine Verkehrsführung über die bereits bestehende Luitpoldstraße erneut geprüft werden. Diese Straße müsste so eingerichtet werden, dass Anlieger weniger als bisher gestört werden. Ein Erfolg wäre es schon, wenn man den Lkw-Durchgangsverkehr aus der Dorfstraße herausbrächte. In der Machbarkeitsstudie wird bezüglich der Luitpoldstraße nur die Tunnellösung betrachtet. Es müssen aber auch andere Schallschutzvarianten geprüft werden.
Wir fordern Sie zu einer ergebnisoffenen Diskussion auf. Verlieren wir in der Euphorie für Umgehungsstraßen nicht den Blick dafür, dass die meisten Umgehungsvorschläge die Probleme nicht lösen, sondern bestenfalls verschieben und schlimmstenfalls neue, zusätzliche Probleme schaffen! Ist die Umgehung womöglich ein „Luxusproblem“, das wenig bringt und viel kostet? Braucht Hohenbrunn
denn tatsächlich eine Umgehungsstraße? Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten. Eine nachhaltige Lösung wird nur gelingen, wenn zugleich die Diskussion über die Gemeindeentwicklung in den nächsten Jahrzehnten geführt wird.
Bitte bedenken Sie: Wäre es nicht ein Schildbürgerstreich, alle Fakten in den Wind zu schlagen und das Dorf Hohenbrunn von seinem Wald abzuschneiden? Zumal es Alternativen gibt, für die kein Grunderwerb und keine Ausgleichsfläche erforderlich sind und bei deren Wahl die Natur der östlichen Rodungsinsel unangetastet und erhalten bliebe. Die betroffenen Menschen könnte man durch wirksame Lärmschutzmaßnahmen schützen und dabei ihre jetzige Situation verbessern.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats, schauen Sie sich die Aufnahmen, die wir Ihnen mitschicken, bitte genau an:
- In den Bildern 1 und 2 gehen Sie über ein weites Feld auf den Waldrand zu. Sie hören nur den Gesang einer Lerche und das Schnauben der Pferde auf den Koppeln.
- Dort angekommen, gehen Sie von Süden nach Norden am Waldrand entlang. Sie erkennen auf Bild 3, wie eng es ist zwischen dem Reiterhof und dem Eichenwald. Da passt keine Straße durch, ohne Hof und Wald zu beschädigen.
- Sie folgen dem Weg weiter und sehen den urtümlichen Eichenwald, das stille Marterl und die schöne Waldkulisse (Bild 4, 5, 6 und 7). Sie kommen vorbei an Wiesen- Vor- und Rücksprüngen, die der Förster ausdrücklich lobt, und Sie genießen die Stille.
- Weiter an den zahlreichen Hochständen der Jäger vorbei (Bild 8), die von lebhaftem Wildwechsel zeugen, kreuzen Sie Feldwege, die in den Wald hineinführen und sagen Grüß Gott zu Spaziergängern, die Ihnen begegnen.
- Zum Schluss kommen Sie an die Sukzessionsfläche, die mit 4.500 m2 ein einzigartiges Biotop geworden ist, urwüchsig und wild (Bild 9).
Bitte bewahren Sie die Fotos gut auf und zeigen Sie, für den Fall des Falles, Ihren Enkeln und Urenkeln, wie schön Hohenbrunn einmal gewesen ist. Dann müssen sie hoffentlich nicht sagen: „Ich war dabei. Wir haben diese Idylle zerstört.“ Lassen Sie es nicht soweit kommen!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rudolf Nützel gez. Christian Hierneis
Geschäftsführer 1. Vorsitzender